Dr. h.c. Wilhelm Schmidt (1858 bis 1924), genannt Heißdampf-Schmidt

m 18. Februar 2008 nähert der 150. Geburtstag von Wilhelm Schmidt, genannt Heißdampf-Schmidt (* 18. Februar 1858 in Wegeleben; ? 16. Februar 1924 in Bethel), Ingenieur und Erfinder, brachte die Entwicklung der Heißdampf-Technik für die Dampfmaschine zum Durchbruch.

Wilhelm Schmidt begann seine berufliche Laufbahn als Maschinenschlosser. Er studierte an der Technischen Hochschule in Dresden unter der Leitung von Gustav Leuner.

1883 ließ er sich als Zivilingenieur in Kassel nieder, wo er die Heißdampftechnik zur Praxisreife entwickelte. 1908 verlagert er Wohn- und Firmensitz nach Benneckenstein im Harz. Er war nicht der erste, der mit überhitztem Dampf arbeitete, seine Vorgänger verwendeten allerdings Dampftemperaturen von maximal 250 °C; erst Schmidt wagte den Sprung auf 350 °C. Für weitere Versuche mit dem Heißdampf befand sich an der Bahnstrecke Ilsenburg ? Wernigerode, nahe dem Bahnhof Wernigerode, eine Versuchsanstalt. Hier gründete Schmidt die Schmidtsche Heissdampfgesellschaft.

Durch den überhitzten Wasserdampf wird der thermische Wirkungsgrad einer Dampfmaschine um bis zu ca. 50 % erhöht. Diese Technik hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Dampflokomotive und des Dampfschiffs, aber auch auf alle anderen Antriebe, bei denen Dampfmaschinen eingesetzt wurden.

Viele Detailerfindungen von Wilhelm Schmidt, wie zum Beispiel der Schmidt-Überhitzer (um 1890) oder der Kolbenschieber, den er zusammen mit Robert Garbe von der Königlich Preußischen Eisenbahn-Verwaltung entwickelte, brachten die Technik der Heißdampfmaschine zur Perfektion.

Noch heute gibt es die Nachfolgegesellschaft der Schmidt'schen Heißdampf GmbH, die unter dem Namen ALSTOM Power Energy Recovery GmbH firmiert, in Kassel-Bettenhausen. Dort werden heute Apparate zur Prozesswärmeübertragung für die petrochemische, chemische und metallurgische Industrie entwickelt und gebaut, z.B. Spaltgaskühler für die Äthylenherstellung, Prozessgaskühler für die Herstellung von Methanol, Ammoniak und Wasserstoff und eine Vielzahl von Apparaten für spezielle Anwendungen. Das Unternehmen ist nach wie vor höchst innovativ und auf seinem Gebiet weltweit marktführend.

  • Erfinder der Heißdampfmaschine
  • 1858 Geburt in Wegeleben
  • 1886 Verkauf eines Patentes zum Strahlrohrkessel an die Fa. Blohm & Voss für 128.000 Mark
  • 1898 Auslieferung der ersten Heißdampflokomotive durch Fa. Vulkan
  • 1910 erster Hochdruckkessel für 60 at fertiggestellt und genehmigt
  • 1913 25.000. Heißdampflokomotive in Kassel gefeiert
  • 1913 Verleihung des Titels "Baurat" an Schmidt durch Kaiser Wilhelm II.
  • 1922 Überlegungen zur Ausnutzung des Wärmegefälles der Weltmeere zur Energiegewinnung
  • 1924 Wilhelm Schmidt stirbt in Bethel

Vom frühen Sitzenbleiber zum großartigen Erfinder. Wilhelm Schmidt, der als "Heißdampf-Schmidt" Geschichte machte, war bestimmt kein Musterschüler. Eine der unteren Klassen musste der am 18. Februar 1858 in Wegeleben Geborene wiederholen. Das ABC konnte er sein ganzes Leben lang nur stockend aufsagen. Trotzdem war er ein Inhaber von 200 Reichspatenten und 1200 Auslandspatenten. Der gelernte Schlosser entdeckte sehr früh die Faszination Dampflokomotive für sich. Über Zufall und Empfehlungen zur Nutzung der Bibliothek und der Modellsäle der technischen Hochschule Dresden gekommen, zeigte sich bald Erfolg. Im Jahre 1879 erfand Schmidt eine rotierende Dampfmaschine ohne hin und hergehendes Gestänge. Schon im Jahre 1894 lief in Schweden die erste nach Schmidts Plänen gebaute Heißdampf-Lokomotive. Später im Jahre 1898 wurde die erste Heißdampf-Lokomotive mit einem Schmidt-Überhitzer in Dienst gestellt. Die Überhitzung des Dampfes wird als letzte große Erfindung in der Geschichte der Dampflok bezeichnet. Bei gleichem Kohleverbrauch bewirkte sie eine doppelte Leistung und einen doppelten Aktionsradius. Ab dem Jahr 1895 widmete sich Schmidt Versuchen mit Hochdruckdampf. Resultat waren um 1910 die erste stationäre Hochdruck-Kolbendampfanlage und 1928 die erste Hochdampflok der Welt. Die ebenso kühne wie wohl utopische letzte Idee, das Wärmegefälle des Wassers zwischen Polarmeer und tropischen Meeren mit Ammoniak zur Dampferzeugung zu nutzen. All dieses konnte Schmidt nicht verwirklichen. In den Jahren 1895 bis 1899 war Schmidt Teilhaber in der Ascherslebener " W. Schmidt und Co. Maschinenfabrik, Eisengießerei und Dampfkesselfabrik", aus der später die Ascherslebener Maschinenbau AG, AMA, wurde. Heißdampf-Schmidt wurde 1908 Ehrendoktor der Technischen Hochschule Karlsruhe. Der auch sozial sehr engagierte, weil seine Herkunft nie vergessende Sohn eines Botengängers und Poststellenhalters starb am 16. Februar 1924 in Bethel. In Aschersleben erinnert an ihn bisher nur die "Schmidtstraße".

... Herbert Hans Müller (uni-magdeburg.de) schrieb folgendes:
S. war Kind armer Eltern, besuchte bis 1872 die Volksschule in Wegeleben bei Halberstadt und erlernte anschließend das Schlosserhandwerk in Wegeleben und Halberstadt. 1877?80 ging er auf Wanderschaft und arbeitete als Schlosser in Dresden, Hamburg und München. In Dresden lernte er bei Schlosserarbeiten den Kunstmaler Adolf Ehrhardt kennen, der S. an die Professoren Gustav Zeuner und Ernst Lewicki an der Technischen Hochschule Dresden vermittelte. 1878 absolvierte S. seine Militärzeit in Dresden, war im zweiten Jahr dort Bademeister und nutzte die ihm verbleibende Zeit zum Selbststudium mittels Fachbüchern aus der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden. S. führte in dieser Zeit erste Experimente mit Heißdampf zur Steigerung des Wirkungsgrades einer Maschine durch. Die erzielten Ergebnisse fanden sowohl bei den Professoren als auch bei den Militärs Akzeptanz.

Auf Empfehlung ging S. für neun Monate zur Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann in Chemnitz, trat anschließend als Maschinenschlosser in die Maschinenfabrik M. Ehrhardt in Wolfenbüttel (der Maschinenfabrikant war der Sohn des oben genannten Erhardt) ein und erhielt dort die Möglichkeit, eine "Heißluftmaschine? zu entwickeln. 1883 begann er eine selbständige Laufbahn als Zivil-Ingenieur, beschäftigte sich mit einer Heißluft-Dampfmaschine und der Anwendung hochgespannter Dämpfe mittels der sogenannten Strahlmaschine. Die Ausführung seiner Vorstellungen erfolgten mit einer Verbundmaschine der Firma Herzogliche Anhaltinische Maschinenbau AG in Bernburg. Die Rechte an dieser Ausführung wurden von der Firma Blohm & Voss in Hamburg erworben und in einem Seedampfer umgesetzt. S. versuchte in der Folge, die Kondensationsverluste mittels einer hohen Dampfüberhitzung zu minimieren, führte zu diesem Zweck weitere Untersuchungen bei der Maschinenbau AG, vormals Beck & Henkel in Kassel durch und siedelte 1891 dorthin um. Schwerpunkt der Untersuchungen war das konstruktive Umsetzen der von ihm erkannten Gesetzmäßigkeiten der Dampfkondensation bei der Entspannung der Heißdämpfe.

Daraus entstand 1894 als weitreichende Erfindung die Schmidt'sche Heißdampf-Verbundmaschine mit Kondensator, mit der der thermische Wirkungsgrad gegenüber herkömmlichen Maschinen um ca. 30 Prozent verbessert wurde. In der nachfolgenden Zeit verschrieb S. sich der Ausführung stationärer Anlagen und erteilte auch interessierten Firma Ausführungsrechte. 1895 trat er in die Maschinenfabrik W. L. Schröder in Aschersleben ein, wandelte sie in Wilhelm Schmidt & Co. um und erweiterte sie 1898 zur Ascherslebener Maschinenbau AG vormals Wilhelm Schmidt & Co. Nach 1899 widmete sich S. der Erteilung von Lizenzen und der Verwertung seiner Patente. Besonderen Erfolg hatte die Schmidt'sche Erfindung im Lokomotivenbau. Bereits 1898 wurden von den Firma Vulcan in Stettin und Henschel in Kassel die ersten beiden Heißdampflokomotiven der Welt nach den Patenten von S. ausgeliefert.

1899 erhielt die von Borsig in Berlin erbaute Heißdampflokomotive auf der Pariser Weltausstellung eine Goldene Medaille. 1910 gründete S. in Kassel-Wilhelmshöhe die Schmidt'sche Heißdampf- Gesellschaft mbH, über die weitere Einsatzgebiete der Heißdampftechnik, wie Dampfpflüge, Antriebe für Walzwerke, Schiffsantriebe u. a., erschlossen wurden. 1910 entwickelte S. in Aschersleben eine stationäre Hochdruck- Kolbendampfanlage, 1911 wurde der Dieselmotor durch S. verbessert. Für das Reichs-Marine- Amt entwickelte er eine neue, 12.000 PS starke Antriebsmaschine für U-Boote, 1928 wurde die erste Hochdruckdampflokomotive der Welt in Dienst gestellt (H 17 206). Um 1925 waren bereits 125.000 Heißdampflokomotiven Schmidt'scher Bauart im Einsatz. S. verfügte über 200 Reichs- und 1.200 Auslandspatente, erhielt zahlreiche Ehrungen, u. a. 1908 die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Karlsruhe und 1916 die Grashof-Denkmünze des VDI, wurde 1913 zum Baurat und 1917 zum Ehrenbürger von Benneckenstein ernannt.

Werke: Die Erzeugung und Anwendung von hochüberhitztem Dampf ? Heißdampf ? im Schiffahrtsbetriebe nach dem System W. S., Cassel-Wilhelmshöhe, 1906; Die Anwendung von Heißdampf im Lokomotivbetriebe nach dem System von W. S., Cassel-Wilhelmshöhe, 1907; Zusammenstellung im Betriebe und Bau befindlicher Heissdampf-Lokomotiven nach den Patenten von W. S., Cassel-Wilhelmshöhe, 1907.

Literatur: Conrad Matschoss, Die Entwicklung der Dampfmaschine, Bd. 2, 1908, 169?178; Friedrich Mützinger, Dampfkraft, Berechnung und Bau von Wasserrohrkesseln und ihre Stellung in der Energieerzeugung, 1933 (*B); Herbert Hans Müller, W. S. ? ein Leben für die Dampfmaschine, 1998 (B).

... Aus der Industriegeschichte Kassels:
Am bekanntesten ist die Rolle der Firma Henschel als Promotor der Lokomotiv- und Verkehrstechnik, hervorgegangen aus einem landesherrlichen Manufakturbetrieb, dem Gießhaus von 1709. Die Erfindungen des Ingenieurs Wilhelm Schmidt (1858-1924, "Heiß-Dampf-Schmidt") ermöglichten die letzten Entwicklungen der Dampftechnik in Kassel (Henschelsche Heißdampf-Überdruck-Lokomotive, 270 km/h, Firma Alstom in Kassel).

Rettet die Dampfmaschine - der letzte Großzeuge der Metallurgiegeschichte - von Thale
"Wilhelm Schmidt ist der Erfinder der Heißdampftechnik. Er revolutionierte die grundlegende Erfindung von James Watt: der Dampf wurde von 250 Grad auf 350 Grad erhitzt, der Druck von 21 at auf 60 at erhöht. Seit 1903 war der "Heißdampfschmidt" weltbekannt."
Zu den letzten Zeugen der Metallurgiegeschichte von Thale gehört die Tandem- Walzenzug- Dampfmaschine. Sie wurde 1911 in der Ascherslebener Maschinenbau AG gebaut und trieb von 1912 bis 1990 die Walzgerüste des Blockwalzwerkes an. Die Dampfmaschine war somit das Herzstück des Eisen- und Hüttenwerkes Thale.

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